Trifluoressigsäure oder TFA im Wasser ist in der Schweiz ein weitverbreitetes Problem, wie der nachstehende NZZ-online-Artikel in Erinnerung ruft. Labor Veritas verfügt über das notwendige analytische Know-how.
TFA im Schweizer Wasser
NZZ online, 07.06.2025, von Georg Humbel
Steigende Belastung mit der Umweltchemikalie TFA: Die tickende Zeitbombe im Schweizer Wasser
Das Grundwasser ist flächendeckend mit der Umweltchemikalie TFA belastet. Bisher galt diese als ungefährlich. Jetzt macht die EU eine Neubeurteilung. Sollte sie einen strengen Grenzwert einführen, wäre das der GAU für die Schweizer Trinkwasserversorgung.
Roman Wiget von der Seeländischen Wasserversorgung in Worben zeigt seinen Schatz: einen Grundwasserbrunnen, in dem glasklares Wasser sprudelt. Der Rohstoff sorgt dafür, dass Wiget die Bevölkerung mit gesundem Trinkwasser versorgen kann. Doch so klar und rein das Nass hier an die Oberfläche strömt – das Grundwasser im Mittelland ist vielerorts belastet. Auf den fruchtbaren Böden wird intensiv und mit Spritzmitteln Gemüse angebaut. «Das hinterlässt Spuren», sagt Wiget.
Seit einiger Zeit misst auch Wiget im Wasser TFA. Trifluoressigsäure – sie ist das neue Sorgenkind der Schweizer Wasserversorger. So hat die Arbeitsgemeinschaft der Wasserwerke Bodensee-Rhein Ende Mai vermeldet, dass sich die Konzentration der Substanz innerhalb der letzten acht Jahre verdoppelt habe. Die Wasserwerke warnen vor einer «irreversiblen Schädigung» der Wasserressourcen, wie die Zeitungen von CH Media berichtet haben.
TFA gehört zu den sogenannten PFAS-Verbindungen, die auch Ewigkeitschemikalien genannt werden. Diese sind extrem hartnäckig und bauen sich auch langfristig kaum ab. Vergangenes Wochenende hat die «NZZ am Sonntag» darüber berichtet, dass im Kanton St. Gallen zu stark mit PFAS belastetes Fleisch in den Verkauf gebracht werde. Auf rund fünfzehn Bauernbetrieben haben die Behörden zu hohe Werte gemessen.
Die Substanz findet sich sogar in Mineralwasser
Dabei geht gerne vergessen, dass der Kampf bei einigen solchen Chemikalien schon fast verloren ist – sie haben sich bereits dermassen in der Umwelt verbreitet. Besonders ausgeprägt ist das beim obgenannten TFA der Fall. Diese Chemikalie kann im Schweizer Grundwasser mittlerweile flächendeckend nachgewiesen werden. Das zeigt eine grosse Untersuchung des Bundes aus dem Jahr 2023 (Karte unten). Die Substanz findet sich sogar in Mineralwasser wieder.

Das war bis vor kurzem kein Problem. TFA galt als harmlos. Deshalb gibt es heute auch keinen Höchstwert. Doch das könnte sich sehr bald ändern.
Die europäischen Lebensmittelsicherheits- und die Chemikalienbehörden sind zurzeit daran, die Gefährlichkeit von TFA neu zu beurteilen. Denn es häufen sich die Verdachtsmomente, dass die Substanz vielleicht doch nicht so harmlos ist. So haben Tierversuche gezeigt, dass TFA die Reproduktionsfähigkeit schädigen könnte. Gerade bei Kindern und Ungeborenen ist die Substanz möglicherweise gefährlicher als bisher angenommen.
Stufen die europäischen Behörden die Chemikalie neu als «toxikologisch relevantes Abbauprodukt» ein, hätte das gravierende Konsequenzen. Denn für solche Stoffe gilt in der EU ein Höchstwert von 0,1 Mikrogramm pro Liter Wasser. Die Schweiz würde wohl nachziehen, wie das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) auf Anfrage dieser Zeitung schreibt. «Sollte die EU einen Höchstwert erlassen, würde die Schweiz diesen prüfen und übernehmen.»
Wird tatsächlich ein dermassen tiefer Grenzwert eingeführt, steht das Land vor einem Problem: «Wir hätten in der Schweiz auf einen Schlag praktisch flächendeckend zu hoch belastetes Trinkwasser», sagt Roman Wiget von der Seeländischen Wasserversorgung. Der Wert von 0,1 Mikrogramm sei sehr streng. Doch aus Wigets Sicht ist das richtig. «Wir konsumieren täglich Hahnenwasser, und es gibt kaum Möglichkeiten, auf andere Produkte auszuweichen.»
Die umstrittene Substanz bereitet auch den Kantonschemikern zunehmend Sorgen. Kurt Seiler vom Interkantonalen Labor Schaffhausen ist als besonnener Geist bekannt. Beim Thema TFA wird er aber deutlich: «Ich bin gegen Panikmache», betont Seiler. «Aber dieser Stoff könnte uns vor grosse und unlösbare Aufgaben stellen.» Die Kantonschemiker haben 2023 die Belastung im Schweizer Trinkwasser gemessen. Der höchste Wert lag bei 20 Mikrogramm. Bei der Mehrheit der über 500 Proben wäre ein Grenzwert von 0,1 Mikrogramm deutlich überschritten worden.
Die Verteilung von TFA in der Umwelt sei mittlerweile praktisch irreversibel, sagt der Kantonschemiker Seiler. Besonders erfüllt den Experten mit Sorge, dass die Konzentration weiter zunimmt.
Doch woher stammt die umstrittene Chemikalie, die sich ungebremst in der Schweizer Umwelt verteilt? Eine wichtige Quelle sind Klima- und Kälteanlagen. Dort werden fluorierte Gase als Kühlmittel eingesetzt. Aber auch die Landwirtschaft hat massgeblich Anteil daran. In der Schweiz sind laut dem Bundesrat rund vierzig Pflanzenschutzmittel bewilligt, die zur TFA-Belastung beitragen. Wenn die Bauern diese Mittel spritzen, gelangen sie in die Böden und ins Grundwasser.
«Es ist absurd, dass jedes Jahr immer noch tonnenweise solche Mittel ausgebracht werden dürfen», sagt die Grünen-Nationalrätin Marionna Schlatter. «Wir werden diese Belastung möglicherweise nie mehr los.» Sie fordert ein Verbot dieser Pestizide.
Das Wasser zu filtern, ist kaum möglich
Das stösst bei landwirtschaftsnahen Politikern auf Gegenwehr. «Die heutige TFA-Belastung in der Schweiz macht mir gar keine Sorgen», sagt Hans Jörg Rüegsegger. Der SVP-Nationalrat ist ehemaliger Präsident des bernischen Bauernverbandes. Er vermutet, dass die Belastungen im Ausland teilweise viel höher sind. Bevor der Bund weitere Pflanzenschutzmittel verbiete, brauche es seriöse Abklärungen: «Wir müssen zuerst genau wissen, wo die Ursache liegt.» Es sei nicht korrekt, immer reflexartig auf die Bauern zu zeigen, wenn diese bewilligte Hilfsstoffe für die Lebensmittelproduktion einsetzten.
Die Freiburger Ständerätin Johanna Gapany (FDP) sagt: «Wenn wissenschaftlich bewiesen ist, dass eine Substanz wirklich gefährlich ist, dann habe ich kein Problem damit, die EU-Grenzwerte zu übernehmen.» Das Störende sei aber, dass die Schweiz immer mehr Produkte vom Markt nehme und keine neuen mehr zulasse. «Die Produzenten brauchen Pflanzenschutzmittel, um ihre Kulturen erhalten zu können.»
Der Wasserversorger Roman Wiget hat in Worben für über zwei Millionen Franken eine neuartige Aktivkohle-Filteranlage eingebaut – ein Pilot- und Vorzeigeprojekt. Dank modernster Filtertechnik «made in Switzerland» kann Wiget sehr viele Schadstoffe aus dem Seeländer Wasser entfernen. Der Vorreiter in Sachen Wasseraufbereitung erhält Besuch von Fachleuten und Umweltämtern aus der ganzen Schweiz. Doch bei einem Schadstoff beisst sich auch die modernste Filteranlage die Zähne aus: Ausgerechnet TFA kann auch sie nicht aus dem Wasser waschen. Der Fachmann Wiget sagt: «Es gibt heute kein finanzierbares Filterverfahren, um diese Substanz zu entfernen.»
Links und Dokumente
erstellt am 09.06.2025, aktualisiert am 15.06.2025
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