Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit BVL veröffentlichte Ende 2024 eine interessante Pressemitteilung unter dem Titel «Hohe Acrylamidgehalte in Trockenobst».
Zusammenfassung: Es wurden 2023 252 Proben getrocknetes Steinobst (Aprikosen, Datteln, Pflaumen und Kirschen) untersucht. In 152 Proben wurden quantifizierbare Acrylamidgehalte festgestellt. In diesem Monitoring waren 99 Proben Aprikosen. 62 Aprikosenproben waren geschwefelt. Die Unterscheidung ist wichtig, weil die Schwefelung offensichtlich die Acrylamidbildung hemmt. Laut BVL waren die geschwefelten Aprikosen und die getrockneten Kirschen bezüglich Acrylamid vergleichbar unauffällig. Bei den meisten Proben der ungeschwefelten Aprikosen, den getrockneten Pflaumen und den Datteln hingegen ist Acrylamid nachweisbar.
Details aus dem BVL-Bericht zum Monitoring 2023:
3.4.2 Projekt 2: Projekt 2: Acrylamid in getrocknetem Steinobst
Hintergrund
Acrylamid bildet sich beim Erhitzen durch Reaktion von Zuckern wie Fruktose oder Glukose mit der Aminosäure Asparagin. Ein geringer Wassergehalt, wie er z. B. beim Trocknen von Obst entsteht, fördert diese Bildung. Untersuchungen in der Vergangenheit haben gezeigt, dass auch in getrocknetem Steinobst Acrylamid zu finden ist [Breitling-Utzmann: «Prozesskontaminante Acrylamid», Lebensmittelchemie 75, 185-216 (2021)]. Die Datenlage hierzu ist allerdings nach der Empfehlung (EU) 2019/1888 der Kommission zur Überwachung des Acrylamidgehaltes in bestimmten Lebensmitteln unzureichend. Im Anhang «Nicht erschöpfende Liste von auf den Acrylamidgehalt zu überwachenden Lebensmitteln» dieser Empfehlung sind unter anderem «getrocknete Früchte» aufgeführt. Im Rahmen dieses Projektes wurde daher getrocknetes Steinobst auf Acrylamid untersucht.
Ergebnisse
Es wurden 252 Proben getrocknetes Steinobst (Aprikosen, Pflaumen, Kirschen und Datteln) auf Acrylamid untersucht. Insgesamt war Acrylamid in 152 Proben quantifizierbar. Die Ergebnisse sind in der Tab. 3.33 dargestellt.
Beim Trocknen färben sich die orangefarbenen Aprikosen braun. Um dies zu verhindern und die orangene Farbe zu erhalten, werden diese geschwefelt. Von den 99 untersuchten Aprikosenproben waren 62 Proben geschwefelt und 36 Proben ungeschwefelt. Zu einer Probe lagen keine Angaben zur Schwefelung vor. Von den 62 Proben geschwefelten Aprikosen enthielten nur 8 Proben (13 %) quantifizierbare Mengen an Acrylamid, das 90. Perzentil lag bei 12,5 µg/kg und das Maximum bei 108 µg/kg. Die unbehandelten Aprikosen hingegen enthielten fast alle quantifizierbare Gehalte an Acrylamid (35 von 36 Proben). Das 90. Perzentil lag hier bei 212 µg/kg und das Maximum bei 559 µg/kg. Hier scheint sich die antioxidative Wirkung der Schwefelung auch auf die Acrylamidbildung auszuwirken.
Auch bei den Datteln wurden mit einem Maximum von 610 µg/kg und einem 90. Perzentil von 236 µg/kg ähnlich hohe Gehalte wie in den ungeschwefelten Aprikosen nachgewiesen. Allerdings lag hier der Median bei nur 28 µg/kg. Neben den relativ hohen Gehalten einiger Proben ist auffällig, dass in 25 der 67 Proben (37,3 %) keine quantifizierbaren Gehalte vorlagen. Dies zeigt, dass es möglich ist, Datteln mit geringen Acrylamidgehalten in Verkehr zu bringen.
Getrocknete Pflaumen wiesen im Mittel ähnliche Gehalte wie die Datteln auf (Mittelwert 67 µg/kg). In 64 von 73 Proben (88 %) war Acrylamid quantifizierbar, das Maximum lag bei 329 µg/kg.
Die getrockneten Kirschen erwiesen sich hinsichtlich ihres Acrylamidgehaltes als unauffälligste Lebensmittelgruppe dieses Projektes. Nur 3 von 13 Proben (23 %) enthielten quantifizierbare Mengen und das Maximum lag bei vergleichsweise geringen 29 µg/kg.
Aprikosen, Pflaumen und Kirschen werden frisch geerntet und anschließend einem Trocknungsverfahren unterzogen. Datteln hingegen zählen nach den Leitsätzen für Obsterzeugnisse des Deutschen Lebensmittelbuches aufgrund ihrer Beschaffenheit zu den Trockenfrüchten. Sie sind baumgereift und werden nach der Ernte nicht speziell getrocknet [Leitsätze für Obsterzeugnisse des Deutschen Lebensmittelbuches vom 5. April 2022 (BAnz AT 9. Juni 2022 B1, GMBl 2022 S. 470)]. Das heisst, hier trocknen die Früchte grundsätzlich am Baum. Auf der anderen Seite werden die Früchte durch nachträgliche Trocknung oder Befeuchtung auf einen bestimmten Wassergehalt eingestellt, um eine gewünschte Konsistenz zu erreichen [Wolfgang Franke: Nutzpflanzenkunde, 6. Auflage, Stuttgart 1997]. Möglicherweise liegen hier und in den verschiedenen Dattelsorten und Anbauregionen die Gründe für die große Spanne der Acrylamidgehalte bei den getrockneten Datteln.
Fazit
Die Ergebnisse zeigen, dass das auch bei Kindern beliebte Trockenobst teilweise recht hohe Acrylamidgehalte aufweisen kann. Acrylamid kommt in vielen alltäglichen Lebensmitteln vor und erwies sich in Tierstudien als erbgutschädigend und krebserzeugend. Beim Umgang mit Acrylamid gilt daher in der EU das ALARA-Prinzip, d. h., die Gehalte sollten so gering wie vernünftigerweise erreichbar sein. Bei den getrockneten Aprikosen zeigte sich, dass die Schwefelung einen großen Einfluss auf den Acrylamidgehalt hat. Die große Spannweite der Gehalte und die vielen Proben mit nicht quantifizierbaren Gehalten bei den Datteln ist auffällig. Hier zeigt sich, dass hohe Acrylamidgehalte vermieden werden können. Die Festlegung von weiteren Acrylamid-Richtwerten könnte dazu beitragen, dass die Gesamtbelastung der Bevölkerung minimiert wird.
Lebensmittel
Proben-
zahl
Proben-
zahl
m. Acr.Mittelwert
Median
90.
Perzentil
Maximum
[1]
[2]
[2]
[2]
[2]
Aprikose getrocknet
99
44
51,75
10,00
159,76
559,00
davon geschwefelt
62
8
11,07
8,25
12,50
108,00
davon ungeschwefelt
36
35
122,22
97,50
211.80
559,00
Pflaume getrocknet
73
64
66,82
55,00
126,00
329,00
Kirsche getrocknet
13
3
8,92
5,00
14,40
29,00
Datteln getrocknet
67
42
76,04
28,00
236,00
610,00
[1] Probenzahl mit quantifizierbaren Gehalten, [2] Einheit: µg/kg Angebotsform
Pfirsich getrocknet wurde nur in einer Probe und ohne quantifizierbare Gehalte untersucht und ist daher nicht in der Tabelle aufgeführt. Die Berechnung der Acrylamidgehalte erfolgte nach der medium bound-Methode.
Die Verordnung (EU) 2017/2158 enthält Minimierungsmassnahmen und Richtwerte für die Senkung des Acrylamidgehalts in Lebensmitteln. Das Schweizer Lebensmittelrecht kennt die gleichen Bestimmungen – siehe Kontaminantenverordnung (VHK, SR 817.022.15). Für Trockenobst existieren noch keine Richtwerte. Trockenobst ist in der Empfehlung (EU) 2019/1888 zur Überwachung des Acrylamidgehalts in bestimmten Lebensmitteln gelistet:
Nicht erschöpfende Liste von auf den Acrylamidgehalt zu überwachenden Lebensmitteln
Kartoffelerzeugnisse
Rösti – Kroketten, Herzoginkartoffeln (Pommes Duchesse), Nusskartoffeln (Pommes noisettes) usw. –Kartoffelpfanne (und Gemüsepfanne) – Kartoffel-Fleisch-Gerichte/Kartoffel-Käse-Gerichte
Backwaren
Brötchen (Hamburgerbrötchen, Vollkornbrötchen, Milchbrötchen usw.) – Pita-Brot, mexikanische Tortillas – Croissants – Doughnuts – Brotspezialitäten (wie Pumpernickel, Ciabatta mit Oliven, Zwiebelbrot usw.) – Pfannkuchen – knuspriges Gebäck aus dünnen Teigstreifen, frittiert – Churros
Getreideerzeugnisse
Reiscracker – Maiscracker – Getreidesnacks (z. B. Erzeugnisse aus extrudiertem Mais und/oder Getreide) – mit Honig geröstetes Müsli
Sonstige
Gemüsechips/frittierte Gemüsesticks – geröstete Nüsse – geröstete Ölsaaten – getrocknete Früchte – geröstete Kakaobohnen und Kakaoerzeugnisse – Oliven in Salzlake – Kaffeemittel, die nicht auf Zichorien oder Getreide basieren – Buttertoffee, Karamell, Nougat usw.